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Auf der Suche nach Schönheit

Vergangenen Oktober wurde ich als Tutor eingeladen zu OSSA, dem größten polnischen Architektur-Workshop für Studenten. Es waren ungefähr 120 Leute anwesend, einschließlich der Tutoren. Es war toll – wir haben den wundervollen Herbst in den schönen Städten Niemcza und Breslau genossen; wir haben zusammengesessen, sind spazieren gegangen, haben gezeichnet, Modelle gebaut und viel miteinander gesprochen – über Architektur, Kunst, Filme, Philosophie und Kultur. Wir haben Sonne und Wein genossen und hatten viele Ideen und Überlegungen zum Thema des Workshops: The Great Beauty.

Im Gespräch mit den Studenten war ich beeindruckt von ihrer Intelligenz und ihrem Talent. Sie waren wissensdurstig und künstlerisch interessiert. Es war eine gute Gelegenheit für mich, über meine eigenen Vorstellungen von Schönheit nachzudenken. Als Architekten geben wir oft vor, dass wir nicht an Schönheit inter­essiert seien. Wir sprechen über das Geschäft, die Handwerkskunst, Verantwortung und Nachhaltigkeit. Wir sprechen über die Bedürfnisse unserer Kunden, und darüber auf dem neuesten Stand zu sein. Wir sprechen über Ideen, Konzepte, Typologie, analytisches oder parametrisches Design. Aber wir sprechen nicht über Schönheit – als ob wir davor Angst hätten oder uns schämen würden.

Für mich ist der wichtigste Aspekt von Schönheit die Aufrichtigkeit. Man kann anderen vormachen, dass etwas schön ist, aber nicht sich selbst. Egal, ob Architektur kompliziert ist, groß, detailliert, teuer, aufwendig oder konzeptuell: Entweder man spürt dessen Schönheit oder eben nicht. Ich schätze die Aufrichtigkeit sehr. Deshalb mag ich Beton-Architektur besonders.

Beton verfügt über die fantastische Eigenschaft, unterschiedlichste Formen anzunehmen. Er kann rau sein oder glatt, er kann unterschiedlich gefärbt werden. Und er ist in jeder dieser Formen aufrichtig und wahrhaftig. Vor vielen Jahren, als ich mit Freunden zusammen gerade unser Büro gegründet hatte, haben wir den Wettbewerb für das Paläontologische Museum in Krasiejów gewonnen. Wir waren uns sofort einig, dass wir Materialien nur in ihrer Reinform verwenden würden – massive Betonwände und -dächer, Glasfenster, -böden und -decken, Stahl als Verbindungsglied. Wir waren jung und dumm und wussten nicht, dass es schwierig werden würde – und genau deshalb haben wir es geschafft.

Es war das erste Mal, dass wir elastische Matrizen für Beton verwendet haben. Es war eine tolle Erfahrung, die Muster zu planen und abstrakte Kompositionen auf den Wänden zu erstellen. Wir haben uns häufig mit Investoren, Auftragnehmern und technischen Beratern unterhalten. Wir waren sehr neugierig, aber wir hatten auch Angst vor dem Ergebnis. Als schließlich der Moment kam, in dem die Matrizen entfernt wurden, sahen wir die fertige Wand mit ihrem Muster, das sauber und klar im Beton erschien. Das deutliche und gleichzeitig dezente Schattenspiel entsprach genau unseren Vorstellungen. Von diesem Zeitpunkt an haben wir unterschiedlichste Gebäude mit Matrizen entworfen: Ziegel ­ fassaden in unterschiedlichen Farben und Größen, Steinfassaden, Gebäude mit Kupfer und Holz. Ich will mir nicht anmaßen, zu sagen, dass wir schöne Gebäude gebaut haben – es liegt nicht an uns, das zu beurteilen und ich glaube, es wäre ein großer Mangel an Selbstkritik, so etwas zu sagen. Aber wir träumen immer davon, Schönheit zu schaffen.

Info

Autoren
Beata Goczoł, Witold Goczoł, Oskar Grąbczewski, Maciej Grychowski, Katarzyna Chobot (Goczołowie Architekci & OVO Grąbczewscy Architekci)

Fotografie
Daniel Rumiancew, Goczołowie Architekci & OVO Grąbczewscy Architekci