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Die digitale Zukunft

Neue digitale Tools wie Augmented Reality und Virtual Reality heben den Planungsprozess in der Architektur auf eine neue Stufe. Stararchitekten kreieren mit ihnen freie Formen und verschieben die Grenzen des Möglichen. Einrichtungsriese Ikea nutzt AR und VR mit den Kunden und macht die Tools massentauglich. Auch deutsche Büros entdecken die Möglichkeiten. Sie schätzen die Planungstransparenz. AR und VR vereinfachen nicht nur die Entwurfsphase, sondern sind im gesamten Lebenszyklus des Gebäudes nützlich.

Augmented Reality und Virtual Reality ziehen auch dank BIM immer stärker in die Planung von Architekt:innen ein. FORMLINER beleuchtet, wie sich digitale Darstellungsmethoden auf die Arbeitsweise von Architekt:innen und Ingenieur:innen auswirken.

Seit Jahrhunderten liefern Architekturmodelle die Blaupause für gebaute Architektur. Das Wort Modell entstand im Italien der Renaissance aus dem italienischen Begriff „modello“, eine Ableitung aus „modulo“, einem Maßstab in der Architektur. Weil Architekturentwürfe anhand von Plänen nur eingeschränkt vermittelbar war, dienten Modelle vielerorts zur leicht verständlichen Darstellung der Entwurfsidee.

Mittlerweile sorgt die Digitalisierung in der Bau- und Architekturbranche für einen Rückzug des klassischen Architekturmodells zugunsten künstlicher Realitäten, bekannt als Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Als virtuelle Realität wird die Projektion der Realität in eine in Echtzeit computergenerierte, interaktiv gestaltbare virtuelle Umgebung bezeichnet. Die erweiterte Realität (AR) ergänzt die Realitätswahrnehmung  um die visuelle Darstellung virtueller Objekte.

Architekturbüros wie MVRDV oder Zaha Hadid Architects realisieren mit digitaler Planung bereits freie Formen und Fassaden, deren Konstruktion noch vor wenigen Jahren undenkbar war. Das Architekturbüro UNStudio arbeitet seit geraumer Zeit mit Virtual Reality und der Simulation von Gebäuden. Diese Architekt:innen sind Wegbereiter für neue Formen der virtuellen Darstellung und Präsentation: Virtual Reality und Augmented Reality heben die Visualisierung von Entwürfen auf ein neues, superrealistisch wirkendes Niveau und erleichtern die Kommunikation zwischen Planer:innen und Auftraggeber:innen.

Mit AR und VR die Möblierung planen

Heute verfügbare, smarte Geräte erlauben mit ihrer Rechenkapazität neuartige Möglichkeiten der Anwendung, auch in der Architektur.

VR und AR übertrumpfen dabei jede bekannte etablierte Darstellungsform.

Virtuelle Informationen und digitale Objekte können per Augmented Reality als simulierte Darstellung in existierende Umgebungen integriert werden. In Kombination mit Kameras und Sensordaten, die Informationen über einen Standort, räumliche Dimensionen und Lichtverhältnisse liefern, gilt die Augmented Reality als eine der neuen Schnittstellen zwischen der digitalen und der realen Welt.

Einer der prominentesten Anwender kommt aus dem Einrichtungsbereich: Ikea. In einigen Filialen des schwedischen Möbelhauses  können Kund:innen mit der VR-Brille Räume nach eigenen Vorschlägen möblieren. Mit der AR-App IKEA Place ist auch die Darstellung von virtuellen Möbeln in realen Räumen per Smartphone erlebbar.

Google Cardboard

Systeme für Virtual Reality gibt es in unterschiedlicher Form schon seit Jahrzehnten. In Form von erschwinglichen Geräten wie den VR-Brillen Oculus Rift, Samsung Gear VR, HP Reverb G2 und Microsoft HoloLens ist diese Technik aber erst in den vergangenen Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mittlerweile gibt es bereits Lösungen wie das Google Cardboard, das zum Teil aus Pappe besteht und durch handelsübliche Smartphones ergänzt wird.

Die Vorführung und Erläuterung eines Architekturentwurfs kann per Virtual Reality zeitgleich an verschiedenen Orten stattfinden – ohne dass alle Beteiligten persönlich anwesend sein müssen.

Architekt:innen können von einem Büro in Düsseldorf oder Amsterdam – unterstützt von Tragwerksplaner:innen in Dubai – der Bauherrenschaft in Shanghai mit VR-Brillen in Echtzeit einen neuen Architekturentwurf vorstellen. Dabei können sie Gebäudevolumina variieren oder alternative Fassadenkonstruktionen zeigen.

„Projektbesprechungen müssen nicht real stattfinden. Dafür ist die Reisezeit zu kostbar und sind auch die Umweltbelastungen zu hoch“, sagt Jörg Jungedeitering, Geschäftsführer der DiConneX GmbH. Er nutzt VR aktiv in der Projektbearbeitung mit BIM und sieht großes Potenzial: „Virtual Reality unterstützt im echtzeitfähigen Informationsaustausch und hilft bei der Vermeidung von Planungsfehlern. Virtuelle Welten werden in Zukunft in allen Branchen und vielen Einsatzgebieten eingeführt werden.“

Auch bei der Bestandserfassung und Gebäudebewirtschaftung werden die Technologien künftig eine große Rolle spielen, glaubt Wolfgang Hardt, Mitglied der Geschäftsleitung der Burckhardt+Partner AG: „Augmented Reality wird an Bedeutung gewinnen. Die Verbindung der analogen mit der digitalen Welt eröffnet für die Architekturbranche zukunftsträchtige Möglichkeiten – und trägt dazu bei, Fehler zu vermeiden.“

Die nächste Stufe der Planungsrealität

Aufbauend auf der Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) kann mit VR und AR jeder Planungsstand visualisiert werden. Moderne 3D-Modelle können Fassadenreflektionen, Oberflächen, Strukturen und Verschattungen für alle Weltregionen berücksichtigen. Architekt Thomas Schmidt, Vorstand der SSP AG, erläutert: „VR und AR werden für BIM die nächste Stufe der Planungsrealität sein, der Blick wird sich weiten und integraler werden.“

In der Praxis erleichtert VR zum Beispiel die Simulation von Windlasten auf Fenster und Gebäudefassaden. Situationen, die früher aufwändig und kostenintensiv in Windkanälen an nachgebauten Modellen untersucht wurden, können jetzt schneller analysiert und visualisiert werden. Das Kölner Institut für angewandte Energiesimulation und Facility Management nimmt Strömungssimulationen (CFD) in virtuellen Realitäten vor, untersucht mit VR die Aerodynamik von Gebäuden und führt Windlastuntersuchungen für Fassaden und Dächer durch.

Die Technologien AR und VR treiben auch RECKLI schon länger um. In der Vergangenheit experimentierte RECKLI bereits auf einem Messestand mit Virtual Reality, um die Gestaltung von Betonfassaden erlebbar zu machen. Die zahlreichen Strukturen die mithilfe von Strukturmatrizen an die Fassade gebracht werden können, lassen sich so problemlos darstellen „Die Schalungsmatrize ist ein Produkt, das oft viel Vorstellungskraft benötigt“, sagt Lutz Hammer, Director Marketing and Business Development bei RECKLI. „Mit VR haben wir die Möglichkeit, Strukturen an Fassaden darzustellen, ohne dass es dieses Gebäude bereits geben muss. So kann es zu einem wichtigen Werkzeug in der Entwurfsphase werden, auch um den Bauherrn zu überzeugen.“

Der mit BIM erstellte digitale Zwilling eines Gebäudes hilft, einen Bau zu entwerfen, zu planen und ihn über den kompletten Lebenszyklus zu warten – bis hin zum Rückbau: Mit AR und VR kann genau lokalisiert werden, an welcher Stelle einzelne Rohstoffe im Gebäude verbaut wurden. Die digitalen Realitäten werden künftig hilfreiche Begleiter für den gesamten Bauzyklus: von der ersten Idee bis zum Abriss.